Doch keine Klimaschutzpartei

Mit einem Grundsatzpapier will die CDU »thematisch wieder vor die Kurve kommen«, wie es Parteichef Merz formuliert: Es geht darum, das Profil beim Klimaschutz zu schärfen. Wir haben uns die »Weimarer Erklärung« angesehen.

Mit ihrer »Weimarer Erklärung« will die CDU ihr »Profil bei Wirtschaft und Klimaschutz schärfen«, wie es in Meldungen zu den Beratungen des Vorstands der Partei Ende vergangener Wochen heißt. Der Beschluss solle »neue Akzente setzen und Basis für eine Wirtschafts-, Energie- und Klimaschutzpolitik aus einem Guss werden«. Für solche neuen Akzente sah die CDU-Spitze offenbar Bedarf, »die Partei möchte ergrünen«, schreibt die Tageszeitung.

Dass sie sich in ihrem Grundsatzpapier dann erst einmal für »Meilensteine des Klimaschutzes« auf die Schulter klopft, wird nicht überall mit Kopfnicken bedacht werden. Die Entwurfsfassung sei »einem in vielen Passagen altbekannt« vorgekommen und lese »sich stellenweise grüner, als es die Grünen sind«, befand dagegen die Welt. Dies gilt sicher nicht für die Formulierung im Entwurf, die CDU wolle »eine vorurteilsfreie Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der modernsten Generation«; die Passage hatte für gewisse Aufmerksamkeit gesorgt und wurde korrigiert: »Wir befürworten die Fortsetzung der Forschung und Entwicklung der Kernenergie der nächsten Generation.«

Aber auch der im Entwurf zu lesende Satz »Die CDU ist Klimaschutzpartei« schaffte es dann doch nicht in die Erklärung. »Ganz reibungslos lief der Neuaufschlag für den Energiekurs nicht ab«, so die FAZ. Aber sind die Akzente nun wirklich neu? Klimaschutz wird von der CDU weiter vorrangig als Wettbewerbsfaktor betrachtet. »Mehr Klimaschutz darf nicht zu einem Standortnachteil werden.« Außerdem solle er zum »Garanten für neue Arbeitsplätze, für Wohlstand und für soziale Sicherheit« werden. »Dazu setzen wir auf den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt«, heißt es weiter. »Allein mit der Vermeidung von CO2-Emissionen werden wir Klimaneutralität nicht erreichen, weshalb Treibhausgase »auch abgeschieden, gespeichert und genutzt werden« müssten. Das Setzen auf technische Lösungen bei sonstiger Beibehaltung von Produktion, Konsum, Ressourcenverbrauch findet in Forderungen nach Förderung von CCS, CDR oder Kernfusion ihren Ausdruck.

Als übergeordneten Leitbegriff formuliert die CDU ein »klimaneutrales Wohlstandsversprechen im Interesse unseres Landes«. Inwiefern dieses Versprechen in einer »vollen Welt« so gehalten werden kann, dass die Entwicklungsmöglichkeiten anderer Regionen nicht eingeschränkt werden, bleibt offen. Rohstoffe werden in der Erklärung lediglich als knappe Güter betrachtet, bei denen »Abhängigkeiten unsere Wirtschaft angreifbar« machten. Formulierungen wie »Wir sehen große Chancen in der Kombination aus Digitalisierung und Dekarbonsierung« bleiben ohne Erläuterung, und das in Zeiten, in denen die Klimaschäden aufgrund des enormen Stromverbrauchs etwa durch Kryptowährung so groß sind wie jene aus der Herstellung von Benzin aus Rohöl. Wie Digitalisierung außer bei der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zum Klimaschutz Beitrag könnte, wird nicht erklärt.

Stattdessen liest man, dass das Energieangebot »konsequent ausgeweitet werden« müsse. Auch andere »wirtschaftliche Rahmenbedingungen« werden von der CDU genannt, etwa: »wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben, flexible Arbeitsmärkte«, was ebenfalls auf bekannte verteilungs- und ordnungspolitische Ansichten hinweist. Ein »deutlicher, durchgreifender und spürbarer Abbau unserer überbordenden Bürokratie« als Forderung im Unternehmensinteresse kann von der CDU nun »begrünt«, also in den Kontext des Klimaschutzes gestellt werden. Passagen etwa zum beschleunigten »Ausbau aller Erneuerbaren Energien« werfen Fragen zum Fortschritt auf, der in CDU-geführten Bundesländer auf diesem Feld gemacht wurde.

Die Christdemokraten orientieren im Wesentlichen auf technologie- und wettbewerbsgetriebene Maßnahmen, wobei eine auf Emissionsfragen verengte Sicht auf Klimaschutz und die Krise der Biosphäre vorherrscht. Andere Sichtweisen werden als solche von »Ideologen« abgetan. »Anders als der eine (sic) Verzicht können neue Technologien entscheidend dazu beitragen, den Klimawandel in der ganzen Welt aufzuhalten. Gleichzeitig stärken Produktion und Export unseren Wohlstand.« Debatten »um ›Degrowth‹, reine Verzichts- oder Verbotsdebatten« seien dagegen »die Wegbereiter einer Deindustrialisierung«.

Beim Thema »Klimaanpassung« spricht die CDU-Erklärung von einer »Resilienzstrategie«, in der es vor allem um die Regeneration von beschädigter Natur gehen soll. Als weitere Aspekte werden »Maßnahmen zur Begrünung von Städten« und »neue Züchtungsmethoden für Pflanzen« genannt.

Unterm Strich: Klimaschutz mit der CDU geht dann, wenn er das Bruttosozialprodukt und den in Geld gemessenen Wohlstand weiter wachsen lässt. Klimaschutz als Motor eines wirtschafts- und gesellschaftspolitischen »Weiter so« - da hätte man von einer Partei, die als selbsternannte konservative Partei die Lebensgrundlagen bewahren will, etwas mehr erwarten können. (tos, haka)

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