Der Schlüssel steckt von innen

Die Frage ist, wovon man ausgeht. Ein Versuch:

»Klima« und »Artenvielfalt« sind keine »grünen« Nebenprobleme,  sie sind zur Menschheitsfrage schlechthin geworden. Eine, in der es nicht zuletzt um die Voraussetzungen von künftigen Veränderungen im Sinne von Freiheit, Gleichheit, Kooperation und Fürsorge geht. Die Bedeutung anderer »Megatrends« und »Herausforderungen« wird hier nicht bestritten. Aber das ökologische Paradigma rahmt sie und bringt Fragen hervor, die allem anderen vorausgehen. Das hat Folgen für Analyse, Kritik und verändernde Praxis.

Es mangelt nicht an Wissen über die beginnende Klimakatastrophe. Es fehlt nicht an Ideen für ökosozialen Umbau. Der Klimaschutz ist vielen ein wichtiges Anliegen. Die Bedeutung von Demokratie, Resilienz und »gerechtem Wandel« muss kaum noch erklärt werden. Und doch gehen Transformation und Anpassung viel zu langsam, werden Dringlichkeit und Tragweite verdrängt, mangelt es an planetarer Kooperation.

Ja, vielfach zeigen Labore einer anderen Zukunft die Möglichkeiten auf. Doch dass Veränderungsversuche bisher zu wenig erfolgreich, zu wenig weitgehend waren, davon künden jeden Tag Meldungen in den Zeitungen. Die Warnungen der Wissenschaft werden dringlicher.  Wir wissen auch: Die Produktions- und Lebensweise, die der Menschheit eine inzwischen existenzielle Frage stellt, hat zugleich alle Potenzen zu deren Lösung hervorgebracht. Eigentlich ist (fast) alles da, aber wir bekommen die Tür ins bessere Andere nicht auf.

Der Schlüssel steckt von innen.

Unter Linken wurde der Zusammenhang zwischen kapitalistischer Produktionsweise und ökologischer Zerstörung schon früh thematisiert. Diskussionen über gestörte Naturverhältnisse, politische Ökologie oder die Wachstumsfrage und Alternativen, etwa unter der Parole »sozial-ökologische Transformation«, füllen Regalmeter. Es gibt bis heute unabgeschlossene Kontroversen, etwa über das Verhältnis von Postwachstum, Suffizienz und Umbau.

Gemeinsam ist den meisten Vorstellungen die richtungsgebende Überzeugung, dass grundlegende Änderungen am Entwicklungsregime, ein anderes Verständnis von Wachstum, Entwicklung und Fortschritt, vom guten Leben, eine Veränderung der Stoffströme und Energiesysteme, der Produktions- und Lebensweise zwingend notwendig sind.

Unterm Strich jedoch überwiegt der Eindruck, dass auch in der Linken weiterhin die Vorstellung dominiert, bei der sozialen Frage und der ökologischen Frage handele es sich um Zielkonflikte, die nur mühsam zum Gleichklang zu bringen seien; dass sich weiterhin linke politische Forderungen für planetare Grenzen in einer »vollen Welt« nicht zu interessieren brauchen; dass weiterhin auch eine linke Zukunft oft in den Maßstäben der Vergangenheit gedacht wird, welche die biophysikalische Existenzkrise hervorgebracht haben.

»Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können«, postulierte bereits 1987 der so genannte Brundlandt-Report der Vereinten Nationen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem »Klima-Urteil« 2021 gefordert, politisch von der Zukunft her und systemisch bedenkend und prüfend zu handeln.

Und nun? Pläne auf Papier sind allein noch keine Antwort. Abziehbilder in sozialen Netzwerken bewirken wenig. Antikapitalistische Rhetorik kürzt den Weg aus der Krise nicht ab. Gestaltungs- und Bewegungspolitik müssen sich im Spiegel der Realitäten prüfen. Immerschlimmerismus und Verharmlosung blockieren die Auswege.

Was ist nötig? Was ist möglich? Wie kann es gehen? Wer treibt es voran?
Darum soll es hier gehen.

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