Komplizierte Kämpfe
»Populismus oder Preppen?« Über »zwei gegensätzliche Lösungen«, die derzeit in der Klimabewegung diskutiert werden: einige Leerstellen der nur-verteilungspolitischen Oben-unten-Strategie und warum »Einigeln in der Defensive« nicht »die erste Wende nach innen« in der linken Geschichte wäre.
(der folgende Auszug ist unserem Satelliten-Newsletter Linke tl;dr entnommen)
»Populismus oder Preppen?«, so ordnet die TAZ die »zwei gegensätzlichen Lösungen«, die derzeit in der Klimabewegung diskutiert würden. Grob dargestellt: »Die eine will den Klassenaspekt der Klimakrise hervorheben und sie so wieder politisieren. Die andere will die Unabwendbarkeit der Katastrophe akzeptieren und daraus neue Kraft ziehen.« Letztgenannte Richtung fordert, »die Unabwendbarkeit der Krise zu akzeptieren und die begrenzte Kraft darauf zu verwenden, sich solidarisch auf die kommenden Katastrophen vorzubereiten«. Diesen Gedanken populär zu machen, versucht zum Beispiel der frühere rls-Mitarbeiter und Aktivist Tadzio Müller. Der Idee folge aber »auch die Letzte Generation. Ihr Ansatz, die Klimakrise durch Eingriffe in den Alltag unverdrängbar zu machen, ist gescheitert.«
Als Beispiel für die andere Lösung dient ein Text von Linus Westheuser und Johanna Siebert im »Surplus«, in dem für »Klimapopulismus« geworben wird. »Er adressiert Verteilungsfragen der Klimaarena und nimmt die Bevölkerung gegen die Profitinteressen der Reichen in Schutz; er skandalisiert die massiven Ungleichheiten in der Verursachung der Klimakrise und kanalisiert die Wut über eine ungerechte Ausgestaltung der Klimapolitik. Weil er konkrete Gruppen von Betroffenen anspricht, sie gegen konkrete Gegner mobilisiert und sich nicht scheut, Emotionen zu wecken, ist er eine machtvollere Antwort auf die rechte Hegemonie als zentristische Vermeidung. Was Progressive von ihren Gegnern lernen können, ist die Macht einer personalisierten, moralisch und narrativ zugespitzten Ansprache.«
Die TAZ ist nicht so richtig überzeugt: »Der Ansatz, Klimapolitik und populistische Verteilungsfragen zu verbinden, findet sich auch bei Fridays for Future. Im Wahlkampf stellt die Bewegung einige Forderungen, darunter anders als in den vergangenen Jahren eine Steuer für ›Superreiche‹. Auch die Linkspartei versucht sich im Wahlkampf mit Klimapopulismus.« Aber was hat es bisher gebracht? Umgekehrt stellt sich die Frage, was von einem Ansatz halten ist, den man auch als »Rückzug ins Halbprivate« bezeichnen könnte, »bei dem AktivistInnen Aufgaben übernehmen, die ein kollabierender Sozialstaat nicht mehr stemmen kann?« Oder steckt doch »subversives Potenzial« im »Fokus auf die lokale Gemeinschaft«?
Hier erinnert die TAZ an einen unlängst im »ak« erschienen Text, in der die Ideengeschichte der »Vorbereitung« in der Linken nachgezeichnet und die neue Hinwendung zum »Prepping für die Katastrophe« diskutiert wird. Was da als »solidarische Kollapspolitik« propagiert wird, soll zwar neue Handlungsfähigkeit versprechen. Aber: »Es ist nicht die erste Wende nach innen in der Geschichte der Linken. Der Rückblick zeigt: Anklang fanden solche Ansätze vor allem in Phasen von Zukunftspessimismus und Enttäuschung… Vieles am neuen Prepping-Diskurs erinnert an einen anderen Wendepunkt vor 50 Jahren. In der Gegenkultur, die sich im Anschluss an die Bewegungen von 1968 in den Gesellschaften des kapitalistischen Westens herausbildete, entstand eine ausgedehnte Alternativszene, die von Landkommunen über Buchläden und Bäckereien bis zu Taxikollektiven reichte.« Heute, so der »ak«, könne das »Einigeln in der Defensive schon eher zur Gefahr werden«. Warum? »Das Problem ist, dass die Vorschläge den Bezug auf Klassenkämpfe aufgegeben haben – und damit auch die Perspektive, diejenigen zu gewinnen, die der Klimakollaps besonders hart treffen wird und die sich am schlechtesten dafür rüsten können.«
Was dann wieder auf den Klimapopulismus von Westheuser und Siebert hinausführte? Nun, damit, dass eine stark marktbasierte und an Preissignalen orientierte Klimapolitik mit sozialen Problemen einhergeht, welche Ablehnung bei jenen hervorrufen, die »sich das nicht leisten können« (oder denen eingeredet wird, dazu zu gehören), worauf »die Politik«, befeuert von jenen, die dies in »Kulturkämpfen« de-politisieren und anheizen, mit klimapolitischem Rückzug reagiert, was wiederum den nötigen Umbau verzögert - damit haben Westheuser und Siebert recht. Auch damit, dass die individuelle Naturzerstörung von Hochvermögenden weit größer ist und dass, wer so etwas nicht zum Thema macht, »den rechten Klimabremsern eine Reihe entscheidender politischer Trümpfe« in die Hand gibt, soll auch nicht bestritten werden. Aber ist das eine »Niederlage linker Klimapolitik«? Worin hat die bestanden, worin würde die bestehen?
Um nur drei Punkte aufzuwerfen: Westheuser und Siebert lassen die Produktion weitgehend außen vor. Wo es um die fossilistischen Sektoren geht, wird über zwar Profite und daraus gezogenen privaten Reichtum gesprochen - dies aber in einer nur-verteilungspolitischen Weise. »Die Bevölkerung« soll gegen »die Profitinteressen der Reichen« in Schutz genommen - und von den anstehenden Belastungen durch Umbau möglichst befreit werden. Auf welcher stofflichen und produktiven Basis gesellschaftliche Reproduktion und soziale Integration stattdessen künftig stattfinden sollen, bleibt merkwürdig randständig. Mit der (gerade sehr populären) Fixierung auf Oben-Unten-Personalisierungen (heißt dann meist »Klassenpolitik«) wird außerdem die quer dazu laufende Konfliktachse solar-fossil übersehen, die ja einiges an Hausaufgaben für eine am planetaren Paradigma interessierte Linke bedeutet - zum Beispiel für die von Westheuser und Siebert als entscheidend angesehene Freund-Feind-Frage: Mit wem und gegen wen? Wer darüber reden will, wie man »Ungerechtigkeitsgefühle und Gruppenzugehörigkeiten« politisieren kann, sollte die Perspektive auf jene Konflikte erweitern, die entlang der planetaren Konfliktachse aufbrechen, nicht nur entlang der alten sozialen Frage. Und damit drittens: Der Ansatz von Westheuser und Siebert, so wie er auch in der klimapolitischen Kommunikation der Linkspartei anzutreffen ist, weicht zu oft der entscheidenden Ungleichheitsdimension aus: Das verzerrende Motiv »der einfachen Bevölkerung« wird in national beschränkter Weise strapaziert.
Zwar wird die Kluft »zwischen den reichen Industrienationen und den Entwicklungsländern des Globalen Südens« benannt, weniger aber, dass breite Teile auch der einkommensschwächeren Schichten hierzulande im globalen Maßstab zum »Oben« gehören. Das gilt auch in Sachen CO2-Abdruck, der nur einen Teil der planetaren Probleme adressiert. Eher ein rhetorischer Kniff, wenn behauptet wird, dass »die Mehrheit gewöhnlicher Leute… aufgrund ihrer nicht unbedingt ärmlichen, aber finanziell doch beschränkten Mittel… schon heute mehr oder minder innerhalb der planetaren Grenzen leben«. Es gibt unterschiedliche Daten, Methoden etc. Aber 2023 haben Miriam Rehm, Vera Huwe und Katharina Bohnenberger gezeigt, »dass in der Bundesrepublik weniger als 1 Prozent der Bevölkerung derzeit einen 1,5-Grad-kompatiblen CO2 -Fußabdruck hat«. 2024 hat eine DIW-Studie die Frage thematisiert: »«Ob arm oder reich: Unser CO2-Fußabdruck ist auf jeden Fall zu groß.« Vor allem im Unterschied zu der globalen Mehrheit, die nicht nur mehr Folgen des Klimawandels zu tragen hat, sondern gegenüber denen »der globale Norden« auch eine klimapolitische Schuld abzuzahlen hätte.
Wer »Klimapolitik als emotional packende Gerechtigkeitsfrage zu politisieren« trachtet, »die gesellschaftliche Gruppen anhand gemeinsamer Interessen verbindet und ein Gefühl der Aufwertung und Handlungsfähigkeit vermittelt«, wird auch solche Punkte berücksichtigen müssen. Das muss nicht heißen, dass die von Westheuser und Siebert genannten Punkte unwichtig wären. Natürlich sollen die Hochvermögenden vorrangig belastet und ihr Überkonsum beschränkt werden. Selbstverständlich sind Politiken der planetaren Ermöglichung für die große Mehrheit entscheidend, die vor allem Infrastrukturpolitiken sind und finanziert werden müssen. Die »Klimaarena«, in der »Verteilungsfragen adressiert« werden sollen, ist aber größer als die Bundesrepublik, und die Verteilungsfrage selbst reicht über Einkommen, Preise, Profit, Besteuerung weit hinaus. Heute geht es da längst auch um eine stoffliche Dimension in einer begrenzten »Politischen Physik«, um bewohnbares Territorium, die aufgelaufene Klimaschuld oder die Frage, an welchem »menschlichen Maß« die Umgestaltung von Produktion, Konsum, Chancen und so weiter sich orientieren soll.
Noch einmal die TAZ, die einen Newsletter verschickt, in dem sich Barbara Junge fragt: »Widersprechen sich ökologische und linke Antworten?« Im Grunde geht es um dasselbe Problem, das sich Westheuser und Siebert vornehmen: »Einerseits will man angesichts der Klimakrise entschieden handeln, andererseits hält man sich aus Angst, rechtsextreme Narrative zu füttern, mit harten ökologischen Forderungen zurück.« Auch Robert Habeck tue dies, er stelle »die Schuldenbremse nicht etwa für die Klimapolitik in Frage, sondern für eine aufgemantelte Verteidigungspolitik«. Junge dazu: »Bei Klimathemen zurückzuweichen, um sie später mal in Ruhe anzugehen, wenn die gesellschaftliche wie wirtschaftliche Lage wieder entspannter ist, ergibt jedoch einfach keinen Sinn.« Man solle sich »trauen, einen starken Staat der anderen Art zu denken; einen Staat, der emotionale und finanzielle Sicherheit schafft. Der den Umbau der Gesellschaft in die Hand nimmt und der sich das Geld dafür auch dort holt, wo es zuhauf vorhanden ist: bei den Vermögenden.«