Klimanotizen 24
Die Unterstützung für die Klimabewegung ist abgestürzt. Was heißt das für den Klimaschutz? Welchen Einfluss hat die Art und Weise, in der ökologische Transformationskonflikte ausgetragen werden? Was könnte eine verbindende Klimadebatte bewirken? Oder hilft Humor gegen trotzige Petromaskulinität?
#1 »Desaströse Nachrichten für den Klimaschutz in Deutschland« - so werden neue Umfragedaten der Nichtregierungsorganisation More in Common unter anderem hier eingeordnet. Demnach hat es »massive Verschiebungen in der Bewertung der Klimabewegung« in kurzer Zeit gegeben; »die allgemeine Unterstützungsbereitschaft gegenüber Klimaschützerinnen und -schützern hat sich de facto seit 2021 halbiert, von 68 auf 34 Prozent. Auch »die Zustimmung zur Aussage ›Die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland hat das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick‹« sei »von 60 auf 25 Prozent abgestürzt ist«. Weitere Zahlen, etwa zur Unterstützung von Blockadeaktionen, dem als geboten angesehenen Maß von Protestaktionen, zur Kommunikation und Offenheit »der Klimabewegung« für eigenes Engagement, finden sich hier. Die Studie hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, vom Frohlocken jener, die schon immer gegen »Klimaaktivismus« waren, ganz abgesehen. Kritisch thematisiert wurde unter anderem der »eigene Maßstab der Letzten Generation: Klimaaktivismus soll tun, was funktioniert«; die LG sei von der Analyse ausgegangen, dass andere Aktionsformen gescheitert seien. Und nun? »Natürlich ist öffentliche Beliebtheit/Unterstützung allein kein gutes Kriterium, um Erfolg/Misserfolg der Letzten Generation zu bewerten, aber die Aufmerksamkeit, die sie erregt, ist es auch nicht, beides gemessen an den selbst formulierten Zielen.« Es bleibe »viel Aufmerksamkeit im Tausch für viel Ablehnung«. An anderer Stelle wurden methodische Zweifel geäußert: »Die verwendeten Items lassen die hier gezogenen Schlüsse nicht im geringsten zu. ›Klimabewegung‹ ist ein unklarer Begriff. Ob Leute sie unterstützen, hängt stark davon ab an welchen Akteur sie in dem Moment denken.« Dies sei derzeit die Letzte Generation (nach der dezidiert in den Umfragen auch gefragt wurde). Dennoch, und zwar mit Blick auf die sehr allgemeine Aussage, dass sich die Unterstützung für die Klima-und Umweltbewegung binnen der letzten beiden Jahre halbiert: »Die Studie beinhaltet leider keine Unterscheidung zwischen Unterstützung der Ziele, der Maßnahmen und der Protestmaßnahmen. Das wäre mindestens notwendig um die gezogenen Schlüsse zu ziehen.«
#2 Verwiesen wird in der Debatte über die More in common-Zahlen unter anderem auf eine ebenfalls aktuelle Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, nach der radikale Klimaproteste zwar bei einer Mehrheit hierzulande keine Unterstützung fänden - »eine ablehnende Haltung zu radikalen und konfrontativen Protesten bedeutet jedoch nicht, dass Menschen den Klimaschutz weniger wichtig finden«. Dazu hat auch More in common ähnliche Erkenntnisse; in zusätzlich durchgeführten qualitativen Forschungsgesprächen würden »viele Menschen die grundsätzliche Notwendigkeit von starken Aktionen für den Klimaschutz durchaus anerkennen, und die Straßenblockaden auf dieser Ebene teils verteidigen«; es sei also »vielen Menschen möglich, die konkreten Proteste in ihrer Machart abzulehnen und dennoch um die Bedeutung von Klimaengagement zu wissen«. Hier taucht eine bekannte Dissonanz wieder auf, die über der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Wege aus der biophysikalischen Existenzkrise wabert: verbreitete Zustimmung zu klimapolitischer Notwendigkeit geht mit verbreiteter Ablehnung von konkreten klimapolitischen Maßnahmen einher, zu denen Proteste für schnelleres und gründlicheres Vorgehen in gewisser Weise ja auch zählen. Dass die mediale Wiederspiegelung der ökologischen Transformationskonflikte, politische Kampagnen gegen Aktivisten, das Gegeneinander-Ausspielen von Milieuinteressen und so fort sich in abnehmender Zustimmung ausdrücken, ist zudem nicht überraschend. Ebenso wenig, dass das eine mit dem anderen wirkungsmäßig verbunden ist. Der Konfliktforscher Andreas Zick hat das in einem Interview zu More in common-Studie so formuliert: »Die Letzte Generation wird als sehr rigide Minderheit wahrgenommen, die die Bürger nötigt. Ihr Protest wird also nicht als ziviler Ungehorsam aufgefasst. Rigidität blendet die Inhalte aus. Damit tun die Aktivisten der Klimabewegung insgesamt keinen Gefallen.« Die Zahlen scheinen das zu bestätigen, zugleich aber dürfte so ein Satz wie der hier zuletzt zitierte vielen Befragten auch subjektiv doppelt hilfreich sein: Er ermöglicht, die eigene Zerrissenheit zwischen Klimanotwendigkeit und Skepsis über Aktionsformen zu überbrücken, die diese Dringlichkeit symbolisieren; außerdem werden sich viele eine solche Aussage zu eigen machen wollen, da sie als sozial erwünscht eingeschätzt wird.
#3 Kurz vor Erscheinen der More in common-Daten hat Jan Wilkens vom Exzellenzcluster CLICCS an der Universität Hamburg einige Sätze zu Klimaprotesten aus politikwissenschaftlicher Sicht geäußert. »Aktuell wird gern der Eindruck erweckt, dass solche Klimaproteste dem Klimaschutz schaden würden. Das lässt sich aber weder aus Umfragen direkt ablesen noch gibt es aktuell eine empirische Evidenz, die das belegen würde. Klimaschutz wird weiterhin als wichtig betrachtet. Die Behauptung ist ein erfolgreiches Framing. Sie täuscht darüber hinweg, dass die Klimapolitik national und international weiterhin ungenügend ist. Unternehmensstrategien und Konsumverhalten, welche immer noch auf dem Verbrauch von fossilen Energien beruhen, schaden dem Klimaschutz – nicht die Proteste der ›Letzten Generation‹.« In der CLICCS -Forschung habe man »soziale Bewegungen und Klimaproteste als einen zentralen gesellschaftlichen Treiber im Hinblick auf eine erfolgreiche Dekarbonisierung identifiziert. Ihre Wirkungen sind insbesondere auf lange Sicht enorm wichtig. Sie haben nicht immer einen direkten Einfluss in dem Sinne, dass Klimaschutzmaßnahmen sofort umgesetzt werden. Ihr Erfolg besteht darin, Entscheiderinnen und Entscheider immer wieder an die Bedeutung von Klimaschutz zu erinnern. Sie halten den Druck zu handeln aufrecht.« Freilich habe »Erfolg im Sinne von Aufmerksamkeit« auch »viel mit dem Narrativ, welches einen Protest einbettet und legitimiert, zu tun«. Dazu äußert sich auch More in common: Man habe bereits vor zwei Jahren darauf hingewiesen, »dass die Klimadebatte ein großes destruktives Potenzial haben kann, wenn sie falsch läuft. Falsch laufen heißt: wenn sie Menschen entlang kultureller Gräben gegeneinander in Stellung bringt. Wenn erst einmal ein Kulturkampf anhand falscher oder unnötiger Antagonismen, etwa der vermeintlichen Trennlinie zwischen Aktivistinnen einerseits und pendelnden Arbeitnehmern andererseits, in Fahrt kommt, dann kann er das positive Klimaschutz-Potenzial mit sich reißen, das es in den Köpfen der Menschen gibt. Es geht dann nicht mehr darum, wie wir erfolgreich das Klima schützen können; sondern darum, auf ›welcher Seite‹ man steht. Loyalitäten, Selbstverständnisse und Lebensstile bilden dann das Zentrum der Debatte, und nicht mehr die Suche nach den besten – weil effektiven und gerechten und das Land besser machenden – Klimalösungen.« Dafür sei »eine verbindende Klimadebatte« nötig, in der Klimapolitik vor allem »als positive Gestaltungspolitik« vorkommt, nicht als »Verlust- und Sanktionierungspolitik« wahrgenommen wird. Dazu gehörten nicht zuletzt an grundlegende Wertvorstellungen rührende Fragen wie »Fairness« bei den zu leistenden Beiträgen für wirksamen Klimaschutz, die Verbindung von Klimaschutz mit anderen Zukunftsbedürfnisse der Menschen wie etwa ermöglichender und gut ausgebauter Infrastruktur sowie Zuversicht stiftende Zielbilder. Es liege »also an den Akteuren, aus der derzeitigen Negativdynamik auszubrechen – um den konstruktiven Ton beim gemeinsamen Klimaschutz wiederzufinden.«
#4 Welche Rolle dabei die Klimabewegung spielen kann und will, wird nicht erst seit gestern diskutiert; der hier und da zu vernehmende Vorwurf, dies würde die Aktivistinnen aus lauter Selbstbezüglichkeit nicht interessieren, läuft ins Leere. Richtig bleibt: Was da an strategischen Überlegungen herauskommt, muss sich stets dem Urteil anderer stellen - und wird manchmal auch mit Zahlen wie jenen von More in common konfrontiert. Unmittelbar vor deren Vorstellung hat Bernward Janzing in der Taz für größere Offenheit der Klimabewegung plädiert und als Vorbild die einstige Anti-AKW-Bewegung genannt, die »für Akteure aller gesellschaftlichen Strömungen offen« gewesen, »agierte milieuübergreifend, sie grenzte niemanden aus. Sie war im besten Sinn divers, nämlich im Sinne einer weltanschaulichen Vielfalt. So kämpften Menschen zusammen, die in anderen politischen Fragen oft meilenweit auseinanderlagen«. Außerdem solle sie sich stärker auf lokale Praxis konzentrieren, da seien »noch konkrete Erfolge jenseits der ermüdenden Klimaschutzrhetorik möglich. In der Summe können sie viel bewirken.« Apropos ermüdende Rhetorik: »Könnten Klimaaktivisten mit Humor mehr Menschen von ihrer Sache überzeugen?«, fragte dieser Tage die »Süddeutsche« und die Antwort lautete: Ja, vielleicht. »Klebeprotest und Klebediskurs« würden heute mehr und mehr »mit der gleichen Haltung wie ein trashiges Reality-Format« konsumiert; die Aktionen weckten »Gefühle wie Wut, Schadenfreude, Mitleid, Empörung und oft reichlich Fremdscham«. Dies habe auch mit dem »Endzeiternst« zu tun, wogegen »etwas mehr Spaß doch ein Mittel zum Zweck« sein könne. Dass einem angesichts täglicher Negativrekorde, wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Untätigkeit das Lachen vergangen sein könnte, macht die Sache nicht gerade einfach. Aber: Wenn man die Studienlage zu der Frage auswertet, wie viel Humor Klimakommunikation verträgt, sieht es gar nicht so schlecht aus. Dies haben die Psychologen Chris Skurka und Julia Cunningham getan und kommen zu dem Ergebnis: »Umweltfreundlicher Humor« beeinflusst Aufmerksamkeit und Wahrnehmung für das Thema »weitgehend erfolgreich«, hat aber »nur einen begrenzten Einfluss« auf das Klimaverhalten, hier allerdings habe sich der größte Nutzen bei Gruppen mit bisher geringem Interesse an der planetaren Frage gezeigt. Im Vergleich mit »Schocknachrichten, Untergangsgeschrei und moralischen Verwünschungen«, befindet die »Süddeutsche«, lasse sich »die Arbeit der Forscher als Plädoyer für mehr Verspieltheit in der Umweltkommunikation lesen«.
#5 Aber vermag Humor auch etwas gegen Trotz und Angst zu bewirken? Schaut man sich die psychoaffektive Dimension der biophysikalischen Existenzkrise an, von der bisher erst die Frage der Erderhitzung durch Treibhausgase wirklich ganz vorn auf der öffentlichen Bühne angekommen ist, andere planetare Grenzüberschreitungen dagegen noch kaum von Mehrheiten wahrgenommen werden, trifft man auf verschiedene Formen eines enormen Unbehagens, wie Noah Klaus das im »Philosophie Magazin« nennt: von der Enttäuschung darüber, dass zu wenig zu langsam passiert, über Ohnmachtsgefühle, Fatalismus und Depressionen, bis hin zu existenzielle Angst und Panik, die mit Verdrängung kompensiert werden. Klaus verweist in diesem Zusammenhang auf Cara New Daggetts »Petromaskulinität – Fossile Energieträger und autoritäres Begehren«, in der eine psychoaffektive Dimension beschrieben wird, die man »Petro-Nostalgie« nennen könnte: die »Sehnsucht nach der Mitte des 20. Jahrhunderts, in der eine patriarchale Gesellschafts- und Familienordnung von einem sorglosen Kohle- und Ölverbrauch gestützt wurde. Fossile Energieträger liefern hier sowohl das materielle Fundament männlicher Herrschaft als auch der westlichen Hegemonie.« Auf Klimapolitik, Klimaaktivismus, ja auf bloße Klimaerkenntnis wird mit Trotz reagiert, mit Reaktanz, dem »Wunsch nach der Wiederherstellung von Freiheitsspielräumen, die von Regularien eingeschränkt wurden«. Die Sitzblockaden der Letzten Generation wird auch als Kränkung gefühlt; und hier sehen Daggett und Klaus das politische Problem: »Die Gefahr, die in der Taktik der Alltagsstörung liegt, besteht also darin, dass sich ein Gutteil der Bevölkerung gerade mit dem identifiziert, was immer weiter ins Verderben reitet: mit exzessivem Verbrauch von fossilen Brennstoffen nämlich.« Klaus empfiehlt mit Verweis auf Kate Soper (»Post-Growth Living«) und Gregory Claeys (»Utopianism for a Dying Planet«) einen alternativen Hedonismus, also eine positive Zukunftsvision, hinter der »sich vermutlich mehr Menschen vereinen« ließen »als hinter einer apokalyptischen Zukunftsaussicht«. Ein solches utopisches Moment sei »für die langfristige Strategie der Klimabewegung von unschätzbarem Wert, weil inflationäre Angst in Kombination mit Verzichtsforderungen allein zu Paralyse und vor allem zu Reaktanz, Trotz und autoritärem Begehren führen kann«.