Ohne tiefgreifenden sozialen Wandel

Mit dem Europäischen Green Deal hat die Europäische Kommission einen Fahrplan für einen Umbau vorgelegt. Doch »auf einen tiefgreifenden sozialen Wandel und die Infragestellung gesellschaftlicher Machtverhältnisse« zielt das nicht ab, meinen Tobias Haas, Felix Syrovatka und Isabel Jürgens.

Mit dem Europäischen Green Deal hat die Europäische Kommission Ende 2019 einen Fahrplan für einen Umbau vorgelegt. In der Zeitschrift »Culture, Practice & Europeanization« nehmen sich Tobias Haas, Felix Syrovatka und Isabel Jürgens den EGD vor – unter Beachtung der »Grenzen der ökologischen Modernisierung«: Zwar knüpfe die Strategie »semantisch« an den New Deal und den Debatten um den Green New Deal an; »im Gegensatz dazu zielt die Strategie der Europäischen Kommission weniger auf einen tiefgreifenden sozialen Wandel und die Infragestellung gesellschaftlicher Machtverhältnisse ab«.

Stattdessen bleibe der EGD »weitgehend« im Rahmen einer »ökologischen Modernisierung«, die auf technologische Innovationen - unter anderem Wasserstoff und Carbon dioxide removal - ohne tiefgreifenden sozialen Wandel und auf die Fortsetzung des Wachstumspfades unter grünen Vorzeichen setzt. Die Autorinnen kritisieren den EGD als Versuch, »die globalen Machtverhältnisse unter einem grünen Deckmantel zu stabilisieren« und verweisen auf einhergehende Gefahren wie die Ausweitung sozialer Ungleichheiten innerhalb der EU. Der EGD stelle den Versuch dar, »Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der EU erhöhen«. Schon das Ziel allerdings, »den Wachstumspfad unter grünen Vorzeichen fortzusetzen«, sei falsch gesetzt, da »die historische Evidenz zeigt, dass eine absolute Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch Wunschdenken ist«.

Außerdem würden innerhalb dieses Rahmens »verschiedene soziale Aspekte« zwar anerkannt, was sich im »Konzept des gerechten Übergangs« Ausdruck verschaffe. Allerdings werde »Ungleichheit nur im Hinblick auf regionale Disparitäten diskutiert, während die Dimensionen der geschlechtsspezifischen und intersektionalen Ungleichheit ignoriert« würden. »Entsprechend spielen alternative Wohlstandsverständnisse oder eine Aufwertung der sozialen Reproduktion im EGD keine Rolle. Ebenso fehlen konkrete Initiativen, die sich ernsthaft mit der sozialen Dimension der ökologischen Transformation auseinandersetzen«. Dies wird von den Autorinnen nicht allein aus normativer Perspektive kritisiert, es mache auch »das Erreichen der langfristigen Ziele« des EGD »äußerst unwahrscheinlich«. Es bleibe abzuwarten, »ob fortschrittliche gesellschaftliche Kräfte die Agenda über Fragen der regionalen Ungleichheit hinaus vorantreiben und eine breitere Vision gerechter Übergänge einbeziehen und verankern können«. (red)

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