Das Große Roll-Back?

Blockierte Transformationskonflikte und ihre Gespenster: über strukturelle Veränderungen der Bedingungen des Handelns, infrage gestellte Zukunftserwartungen und den parteipolitisch unbesetzten Pol des Pariser Klimaziels.

|1| Das Ende der »Ampel-Regierung« und die vorgezogene Bundestagswahl sollten in einem internationalen Kontext verstanden werden. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland hat vergleichbare Probleme und Krisen zu bearbeiten wie andere europäische Staaten auch bzw. wie die »der Westen« genannte transatlantische Staatengemeinschaft: beginnend mit dem Angriff auf die Twin Towers, die anschließenden Vergeltungskriege, die Finanzkrisen ab 2007/2008, über die »Migrationskrise«, die Pandemie, die russische Aggression gegen »Sezessionsstaaten« ab 2008 (Georgien), die faktische Aushebelung der WTO usw. Die Wahlerfolge von rechtsautoritären Parteien und Formationen in den vergangenen 20 Jahren lassen sich als Folgen und Ausdruck von »blockierten Transformationskonflikten« begreifen und verarbeiten. 

»Verarbeiten« bedeutet im politischen Raum, eine einigermaßen (!) plausible Erklärung anzubieten, die nicht nur erklärt, sondern selbst wieder Handlungsoptionen, Interventionsgelegenheiten eröffnet, die zur Auflösung der Blockaden beitragen könnten. »Blockierte Transformationskonflikte« rücken die Konflikte, die mit Transformationen einhergehen, in den Mittelpunkt. Unterschiedliche Interessen und Ziele gesellschaftlicher, ökonomischer, sozialer und politischer Akteure treffen aufeinander, behindern sich wechselseitig, und verzögern die Aushandelungs- bzw. Durchsetzungsprozesse einer Transformation. 

»Transformation« meint dabei nicht einfach eine Veränderung, einen Wandel, sondern eine strukturelle Veränderung der Bedingungen des Handels. Insofern beinhaltet jede Transformation einen Konflikt zwischen denjenigen Akteuren, die an den alten Strukturen, Ritualen, Gewissheiten festhalten wollen, und denjenigen, die Akteure des Neuen sind, die damit ihre Erwartungen, Pläne, Zukünfte verbinden. Blockiert werden Transformationskonflikte dann, wenn sich die Akteure wechselseitig blockieren (können), oder aber, wenn die Gesellschaft insgesamt sich weigert, diese Konflikte auszutragen bzw. sie vom ökonomischen, sozialen, kulturellen Feld ins politische zu übersetzen. Eine »Blockade« entwickelt sich vor allem dann, wenn unterschiedliche Transformationen sich miteinander verschränken. Mit dem Blick auf die Akteure unterscheidet sich der Begriff »blockierte Transformationskonflikte« von dem verwandten Begriff »blockierte Transformation«, der eher einen Zustand beschreibt, in dem ein umfassender gesellschaftlicher Wandel ins Stocken gerät, zum Stillstand kommt.

|2| In den alt-industriellen Gesellschaften und liberalen Demokratien des Westens verschränken sich mehrere Transformationskonflikte:

  1. der Konflikt um die demographische Transformation in ihrer Doppelgesichtigkeit als »alternde Gesellschaft« (u.a. veränderte Binnennachfrage, wohlfahrtsstaatliche Balance, politische und soziale Innovationskraft) und Einwanderungsgesellschaft (u.a. soziale, kulturelle, politische Integrationskonflikte, vor allem aber in den USA: bleiben die Weißen in der Mehrheit oder werden sie von einer »Koalition der Minderheiten« der demokratischen Partei abgelöst?);
  2. der Konflikt um die Transformation hetero-patriarchaler »Rollenbilder«, Gesellschaftsformationen durch »Gleichstellung« der Frauen und sexuelle und familiale Diversität;
  3. die Konflikt zur geopolitischen Neuordnung der »Hierarchie der Nationen« und ihrer globalen Rolle (u.a. neoimperiale und hybride Kriege, globale Lieferketten und ihr Schutz);
  4. der Konflikt um die Transformationen, die mit einer neuen Stufe der Digitalisierung (Künstliche Intelligenz) in Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, Politik, Alltag einhergehen (Brüche in Alltagsroutinen, Arbeitswelt und Berufs-Status);
  5. die Konflikte um eine neue Ökologie von Natur und Gesellschaft, vordergründig um Klimaschutz. Artenvielfalt und (Plastik-)Vermüllung, tatsächlich aber um Fragen von Bewohnbarkeit, Gesundheit und Lebenserwartung. 

Die Kämpfe um eine transformierte Ökologie von Natur und Gesellschaft haben die Tendenz, alle anderen Konflikte zu rahmen, weil es bei ihnen darum geht, welche Rolle und Bedeutung die planetaren Grenzen und die biophysikalische Existenzkrise haben sollen. Und gleichzeitig finden (fänden) hier die Veränderungen statt, die die anderen Konfliktfelder formen, Stichworte: Dekarboniserung, Umbau der Ökonomie von fossiler zu solarer Basis; globale, planetare Gerechtigkeitsperspektiven; Migration/Klimaflucht; Ressourcen zur Anpassung an die kommenden Klima-Katastrophen; habitualisierte Konsum-Muster …

|3| Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Transformationskonflikten führen nicht nur zu unterschiedlichen Positionierungen je nach Konflikt im politischen Feld und damit zu »Unordnung« im Parteiensystem, das infolgedessen vor einer Neuordnung steht. Das komplexe Wirkungsgeflecht nährt auch die Zweifel an den Fähigkeiten der gewachsenen und daher teilweise verkrusteten demokratischen Institutionen, die Konflikte, Interessengegensätze, Wahrnehmungen usw. noch angemessen bearbeiten zu können, Kräfte zu durchsetzungsfähigen Mehrheiten zu bündeln. Diese Gleichzeitigkeit und Verwobenheit der strukturellen Veränderungen und Prozesse führt zu dem, was eine »Polykrise« genannt werden kann: Nicht die Addition einzelner Krisen, sondern ihr »Umschlag« in eine Große Krise mit dem Potential einer »Systemkrise« – nicht der Zusammenbruch »des Kapitalismus« als gesellschaftliches Verhältnis, aber die anhaltende Dysfunktionalität im Zusammenspiel der gesellschaftlichen Teilsysteme (zentrale Wirtschaftssektoren, Infrastruktur, politische Institutionen usw.) und alltagsrelevanten institutionellen Arrangements. 

|4| Allen Konflikten gemeinsam ist: Sie stellen bisherige Zukunftserwartungen fundamental in Frage: die zahlenmäßige Überlegenheit der Weißen, die Innovationskräfte einer »jungen« Alterspyramide, die hegemoniale Vormacht westlicher Sichtweisen und Institutionen in der Welt, externalistische Wachstums-Modelle und politische Ökonomien, das Verständnis von Wirklichkeit, Fiktion und Kreativität/Intelligenz. Was die Zukunft bringen wird, ist in hohem Maße ungewiss und damit auch, dass es besser wird. Es wäre schon viel gewonnen, wenn es nicht schlechter wird. Allerdings sagt »uns« die Wissenschaft, dass es auf fundamentalen Gebieten schlechter werden wird: neue Pandemien scheinen sicher, weitere Klimakatastrophen infolge kaum gebremster Erdaufheizung ebenso. Und fast ebenso sicher scheint, dass »unser« Wohlstand angesichts der planetaren Grenzen nicht verallgemeinerbar ist, weshalb er schrumpfen wird oder/und immer weiter Menschen »hierher« wollen. Gegen diese in einer Reihe von Befragungen ablesbare Grundstimmung existieren kaum noch zuversichtliche Zukunftsbilder, dass »wir« es schaffen können, und wo sie anzutreffen sind, beanspruchen sie selten für mehr als zwei der fundamentalen Transformationskonflikte die Deutungskraft, die zumindest notwendig wäre, um sich in diesen Konflikten mittel- und langfristig positionieren zu können. Diese fehlende Vorstellung von einer Zukunft, die erstrebenswert ist, stellt die eine Seite der blockierten Konflikte dar: Es fehlt an Zugkraft. Anzutreffen ist sie noch in lokalen, kommunalen Gemeinschaften, denen oft die Unterstützung »von oben« fehlt.

|5| Die andere Seite: »Gespenster«. Eine »Polykrise« ohne wirkmächtiges Versprechen, ohne erstrebenswerte Möglichkeit eines positiven Ausgangs stärkt nicht nur die reaktionären Interessen und regressive Kräfte in den verschiedenen Konflikten, etwa solar vs. fossil oder patriarchal vs. emanzipatorisch. Sie paralysiert auch die – wechselnden – Kräfte »dazwischen«. Den Kräften der Beharrung gelingt es, unterschiedliche Aspekte (und damit »Betroffenheiten«) der Transformationskonflikte jenseits von Interessen an bestehenden Geschäftsmodellen auf der Grundlage zu bündeln, dass es bei der Transformation nichts zu gewinnen gibt. Nährboden dieser Wahrnehmung sind verschiedene Faktoren:

  1. die über Jahrzehnte als verfestigt, immergültig wahrgenommenen Verteilungsverhältnisse (von wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen/Kapital, Status und Macht) ;
  2. die habitualisierten Konsum- und Lebensstil-Muster, die mit Status und Persönlichkeit verschweißt sind;
  3. die gesellschaftlichen, systemischen Strukturen, aus denen auszubrechen individuell zu hohe Kosten verursacht (weil es an Infrastruktur, allgemeingültigen Regelungen usw. fehlt);
  4. überfordernde, teilweise gegensätzliche Transformationsanforderungen, die überwältigende Alltags- und Selbstvergewisserungsprobleme schaffen.

Im Ergebnis führt dies zu Verarbeitungsformen jenseits rationaler Interessenformulierung: Leugnung und Abwendung von der Tradition der Aufklärung (Wissenschaft), Wiederbelegung religiös grundierter (Werte-)Gemeinschaften, Frauenfeindlichkeit, affektiv-aggressive Verteidigung des Bestehenden, Autoritarismus (die starke Persönlichkeit, in der ich mich wieder erkenne und die stark genug erscheint, den Knoten, die Feinde zu schlagen), Politik-, Staats- und Institutionenfeindschaft... – der Rohstoff für politische Gespenster: Zugehörigkeit zu einer Nation-Volk, an das zuerst gedacht werden soll.

|6| Zwischenstand: Blockierte Transformationskonflikte versetzen die Gesellschaft insgesamt in einen Zustand, in dem die klassischen, auf sozialökonomische Interessenwahrnehmung orientierten Erklärungen für soziale und politische Handlungen, etwa Wahlentscheidungen, immer weniger Erklärungskraft besitzen. Es geht eben nicht nur darum, was am Ende im Portemonnaie oder auf dem Konto ist. Es geht auch um Ansehen, Status, Rollenbilder, Verhaltensnormen, Egoismus und Gemeinschaft, Vorstellungen von Gesellschaftsordnung. Und angesichts der unklaren und vielleicht wenig erstrebenswerten Zukunft nehmen spielen vielfältige Ängste, Emotionen, Affekte eine größere Rolle als in Zeiten, in denen die gesellschaftlichen wie individuellen Wege in eine bessere Zukunft vorgezeichnet waren. Die klassischen Erklärungen des Wahlverhaltens, die immer auf eine gewisse Interessenrationalität abstellen, können die kontingenten Verarbeitungsformen der Konflikte nicht ausreichend einfangen. 

Sicher, vielleicht haben ökonomische Erklärungen, etwa die Inflation und Realeinkommensverluste, bei der US-Präsidentenwahl in dem einen oder anderen Swing-State den Ausschlag für den Wechsel von den Demokraten zu Trump gegeben, doch insgesamt gewann Trump nicht großartig an Stimmen hinzu, sondern Harris entfaltete nicht die Mobilisierungskraft von Biden. Dies wäre eigentlich zu erklären. Genauso, warum erneut und diesmal dann sogar eine Mehrheit im popular vote einen Mann zum Präsidenten wählte, der für das Amt nach allen tradierten Regeln offenbar nicht geeignet ist.

|7| Das »Große Rollback«? Es ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere blockierte Transformationskonflikt in dem einen oder anderen Staat reaktionär-regressiv aufgelöst, entschieden wird.

Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl: »Deutschland« steht vor der Notwendigkeit, seine ökonomische und geopolitische Rolle neu zu bestimmen. Beides hängt eng miteinander zusammen, seitdem das auf billiger fossiler Energie, globalen Lieferketten und offenen Märkten basierende Exportmodell in die Krise geraten ist: Weil die Lieferketten unsicher geworden sind, Absatzmärkte sich verändern und die wettbewerbsfähige Umstellung des industriellen Produktionsapparates verschleppt wurde (woran sowohl der kurzfristigen Rendite-Erwartungen des Finanzkapitalismus, fehlende institutionelle Absicherungen der Dekarbonisierungsstrategien als auch veränderte Konsumentscheidungen ihren Anteil hatten).

Um die blockierten Transformationskonflikte austragen zu können, muss eine Balance zwischen ihnen gefunden werden. Keine Blockade kann für sich allein aufgelöst werden. Um eine von der Gesellschaft getragene Balance zu finden, müssten sie aber als Konflikte im politischen System ankommen und gemeinsam, als miteinander verbunden bearbeitet werden. Vorstellbar wäre eine solche Bearbeitung als Zukunftsentwurf einer »guten Gesellschaft 2040«, die Weg und Ziel zusammenführt. Das ist aber nicht der Fall, weshalb von der kommenden Wahl keine Richtungsentscheidungen, sondern die Fortschreibung bestehender Trends zu erwarten ist – und damit auch kein Großes Rollback.

|8| Beispiel »Klimapolitik«. Im Parteiensystem setzen zwei Kräfte, die AfD und das BSW, auf die Leugnung des Klimawandels bzw. der zeitlichen Dringlichkeit des Endes des Fossilismus bzw. auf Resignation: Die Staaten der Welt könnten sich ja ohnehin nicht einigen, warum solle Deutschland da seine Wirtschaft und seinen Wohlstand ruinieren. Alle anderen Parteien wollen eine aktive Klimapolitik, meist sogar weniger, als ihre Anhänger von ihnen erwarten. Unterschiede finden sich auf der Zeit- und Umsetzungsachse: Union und FDP wollen unter dem Slogan »Technologie-Offenheit« ein Bündnis, eine Kooperation mit dem fossilen Kapital; SPD und Linke wollen unter dem Label »sozialverträglich« ein Bündnis mit den fossil Beschäftigten bzw. unteren Einkommensschichten. Die Grünen lavieren zwischen diesen beiden Positionen einer verzögerten Transformation und der Rückkehr zu einer Position der beschleunigten Transformation. Der Pol des Pariser Klimaziels der Begrenzung der Erdaufheizung auf 1,5 Grad wird derzeit nicht mehr besetzt. 

|9| Man könnte dies als politischen Realismus begreifen, wenn nicht an anderer Stelle der Realismus ausbliebe: Bislang nicht erkennbar ist, dass in diesem Transformationskonflikt die Position besetzt wird, die sagt was ist: Dass wir uns bereits mitten in der Klimakatastrophe befinden, das Extremwetter, klimabedingtes Artensterben, Gesundheitsrisiken usw. nicht nur global, sondern auch hierzulande Normalität geworden sind, und dass wir mit den Anpassungsmaßnahmen im Verzug sind. Von dieser Anpassung der öffentlichen Infrastruktur geht wiederum Druck auf die Umstellung des Produktionsapparates aus, etwa beim klima- bzw. anpassungsfreundlichen Wohnungsbau auf die Bauwirtschaft. Generell werden sich mittelfristig die Produktionszweige auch auf dem Weltmarkt behaupten und Wohlstand stützen können, die den Anforderungen der Dekarbonisierung (Produktivkapital) und der Anpassung (nennen wir es: gesellschaftlichen und individuellem Gebrauchswert) gerecht werden. 

|10| Sagen, was ist, heißt auch zu sagen, dass es in den nächsten Jahren weniger um die Verteilung von Wohlstandsgewinnen gehen wird (womit nicht überbordende Profite gemeint sind, die eben nicht in den gesellschaftlichen Wohlstand eingehen), sondern um die möglichst sozialverträgliche Verteilung von »Weniger«, von »Weniger«, dass als Verlust von Gewohntem wahrgenommen werden könnte, aber auch zum »Gewinn« an Sicherheit, an Qualität des Lebens erlebt werden kann. Die »Krise des deutschen Industriestandortes« ist eine Krise des exportorientierten Wirtschaftsmodells, welche durch die Veränderungen auf den wichtigsten Absatzmärkten (USA, China, EU) bewirkt wurde. Am Beispiel der deutschen Autoindustrie zeigt sich das als unzureichende Anpassung an Elektromobilität. Sowohl der Umstieg auf Elektroautos als auch die fehlende Anpassung verursachen Beschäftigungsverluste, Arbeitsplatzverluste vor allem für männliche Industriearbeiter, die sich schwerlich in die Arbeitskräftelücken im Pflegesektor werden umsetzen lassen, denen aber auch nicht mit dem Versprechen vom irgendwie technologisch ermöglichten Überleben des Verbrenners geholfen wird. Ähnliche Probleme tauchen in anderen Branchen auf, aktuell etwa in der Stahlindustrie. Historisch ist die Situation vielleicht am ehesten mit der »Neuen Internationalen Arbeitsteilung« in den 1970er und frühen 1980er Jahren vergleichbar, in deren Folge etliche Industriezweige (z.B. Bekleidung, Spielwaren, Werften, Stahl) das Land verlassen oder der Produktionsapparat durch die erste Generation der Robotik (Auto, Maschinenbau) tiefgreifend umgebaut oder abgebaut (Bergbau) wurde. 

Zusammen mit dem demographischen Wandel wird der finanzielle und politische Druck auf die Sozialsysteme und das Versicherungsprinzip wachsen. Gleichwohl (und deshalb) sind der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Kürzungen beim direkten oder indirekten Lohn gerade in einer alternden Gesellschaft Grenzen gesetzt, politisch wie ökonomisch. Denn schwächelt die Exportwirtschaft, wächst die Bedeutung der Binnennachfrage, die sich wiederum in einer alternden Gesellschaft wandelt. Aus all dem könnte man die politische Schlussfolgerung ziehen: Die Unternehmen brauchen rasch institutionelle Planungssicherheit für langfristige Investitionen in die Dekarbonisierung, die mit einem Abbau klimaschädlicher (brown Euros) und Aufbau klimafreundlicher (green Euros) Subventionen begleitet werden kann, vor allem aber mit öffentlichen Investitionen in passende Infrastrukturen, passend im dreifachen Sinne: passend zu forcierter Dekarbonisierung, passend zur Anpassung an die Klimafolgen-Ereignisse und passend zu einer alternden, auf Zuwanderung angewiesenen Gesellschaft. Eine solche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Umorientierung könnte am ehesten noch Anreize schaffen, von einem alten Industriezweig in etwas Neues zu wechseln, weil man dann Teil dessen wird, was kommen wird. Gleichzeitig, wichtiger noch, gäbe es all jenen Planungssicherheit, Zukunftszuversicht, Rückenwind, die mit ihren ökonomischen und beruflichen Entscheidungen (Stichwort: green skills) bereits aktiv an der Transformation beteiligt sind – also Akteure stärken, die Blockaden in Transformationskonflikten überwinden.

|11| Eine Auflösung der Polykrise, also der Verzahnung verschiedener blockierter Transformationskonflikte, ist weder in Sicht noch wahrscheinlich. Tatsächlich scheint es so, dass am ehesten von reaktionärer Seite, also im Sinne eines Rückabwicklung erreichter Fortschritte, Bewegung in die Blockaden kommen könnte, weil es diesen Kräften gelingt, Teile der moderaten Mitte auf ihre Seite zu ziehen. Moderat meint hier: sowohl abwartend wie – auch das gehört zur Mitte – in mehrere Konflikte irgendwie involviert zu sein. Beobachten lässt sich diese Bewegung am Thema Migration oder auch Thema Heizen/Gebäudeenergiegesetz. In beiden Fällen beherrschen die Angst-Szenarien, nicht Zuversichts-Szenarien die Bühne, gepaart mit eher hilflosen Warnungen vor Demokratie- und Zivilisationsverlusten. Populistische Argumentationsmuster vom guten Volk und der bösen Elite, von den 99 Prozent und dem räuberischen 1 Prozent oder vom »Wir hier unten gegen die da oben« verschärfen die Lage, weil sie geflissentlich ignorieren, dass die blockierten Transformationskonflikte nicht allein eine vertikale Achse haben, sondern die Blockaden vor allem durch Mobilisierungen auf der horizontalen Achse der gesellschaftlichen Arbeitsteilung hervorgerufen werden. In die gleiche, für eine fortschrittlich Konfliktbearbeitung kontraproduktive Richtung weisen alle Anrufungen einer als homogen unterstellten »unsere Wirtschaft« oder des deutschen Nationalstaates, dessen Wettbewerbsfähigkeit gestärkt oder an den »zuerst« gedacht werden müsse, weil dann an »uns alle« zuerst gedacht sei. (hk)

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